Newsletter Sommer 2018

Hinsichtlich der „Zwillingsstudie“ ist zu berichten, dass inzwischen sogar 65 Zwillingspaare in diese Studie eingeschlossen werden konnten und noch weitere Zwillingspaare auf Untersuchungen warten, um ggf. in die Kohorte aufgenommen zu werden, wofür eine Reihe von Voruntersuchungen notwendig ist. So wird z. B. durch genetische Untersuchungen zunächst einmal geklärt, ob diese scheinbar identischen Zwillinge auch wirklich eineiig sind.

Wenn man davon ausgeht, dass es in Deutschland ca. 320.000 eineiige Zwillingspaare gibt, von denen statistisch gesehen ca. 0,25% an einer MS erkrankt sind, dann lässt sich abschätzen, dass in ganz Deutschland also vermutlich etwa 800 Zwillingspaare leben, bei denen mindestens eines der Zwillingsgeschwister an MS erkrankt ist. Somit sind schon fast 10% aller in Deutschland an MS erkrankten eineiigen Zwillinge in dieser Studie erfasst. Wie bereits berichtet, wurde in einem ersten Schritt die Zusammensetzung der Darmflora von an MS erkrankten und gesunden Zwillingen paarweise verglichen.

Wie schon berichtet, war ein Ergebnis dieser Untersuchungen, dass die Darmbakterien von an MS erkrankten Zwillingen in einem Tiermodell in einem statistisch signifikant größeren Ausmaß eine MS-ähnliche Erkrankung auslösen können gegenüber den Mäusen, die mit dem Stuhl gesunder Zwillinge inokuliert wurden. Die entsprechende internationale Publikation hat ein großes Echo gefunden und wurde von der Zeitschrift Lancet Neurology als eine der zwei wichtigsten wissenschaftlichen Arbeiten des Jahres 2017 zur MS bezeichnet.

Ein weiteres Teilprojekt dieser Studie ist die Untersuchung von Immunzellen aus dem Nervenwasser dieser Zwillinge, um dabei mögliche Unterschiede zwischen gesunden und an MS erkrankten Zwillingen aufzudecken. Dabei kommt eine neue Methode zum Einsatz, die bisher nur in wenigen Labors überhaupt etabliert ist und bisher noch gar nicht bei der MS angewandt wurde.

Das Nervenwasser eines Menschen enthält verschiedene immunologisch wirksamer Zelltypen in jeweils unterschiedlicher Häufigkeit. Mit dieser neuen Technologie, der sogenannten “Single-Cell-Transcriptomics“ ist es nun möglich, Untersuchungen mit bisher unbekannter Präzision durchzuführen und dabei ganz neue Einblicke in Zustand und Funktion des Immunsystems zu gewinnen.

Dabei stellte sich heraus, dass die immunologischen Eigenschaften dieser Zellen sich zwischen dem erkrankten und dem klinisch gesunden Zwilling deutlich unterscheiden, obwohl es sich um eineiige Zwillinge handelt. Da eineiige Zwillinge genetisch gleich ausgestattet sind, wäre an sich zu erwarten, dass die immunologisch wirksamen Zellen des Nervenwassers der Zwillinge jeweils sehr ähnlich sind. Jedoch stellte sich heraus, dass die Zellen der MS-Betroffenen eine hohe Aktivität der sogenannten B-Zellen, die für die Produktion von Immunglobulinen zuständig sind, und von sogenannten zytotoxischen T-Killerzellen aufweisen. Diese beiden Zelltypen spielen wahrscheinlich eine sehr wichtige Rolle bei der Entstehung der MS und tragen vermutlich auch zur Schädigung des Gehirns bei. Bei den gesunden Zwillingen konnte eine derartige Aktivität nicht nachgewiesen werden. Um eine statistische Relevanz dieser bisherigen Ergebnisse zu erzielen, müssen jedoch noch mindestens weitere 1.000 Einzel-Zellen mit dieser aufwendigen Methodik untersucht werden.