Heute berichten wir Ihnen über Untersuchungen, die intern unter dem Begriff „Zwillingsstudie“ laufen:
Seit 2012 wird am Institut für Klinische Neuroimmunologie in Großhadern unter der direkten Leitung von Prof. Hohlfeld eine Kohorte von eineiigen Zwillingen aufgebaut, die von Frau Dr. Gerdes betreut wird. Mit intensiver Unterstützung durch den Verein, die DMSG Bayern und auch den DMSG Bundesverband, gelang es zunächst landesweit 50 Zwillingspaare für eine Teilnahme an den geplanten Untersuchungen zu gewinnen. Jeweils ein Zwilling ist an MS erkrankt, dessen Zwillingsbruder oder die Zwillingsschwester aber (zumindest scheinbar) gesund („diskordanter Krankheitsverlauf“). Wie bereits berichtet, haben wir in einem ersten Schritt die Zusammensetzung der Darmflora von an MS erkrankten und gesunden Zwillingen paarweise verglichen. Hierbei ging es vor allem um die Frage, ob es Unterschiede in der mikrobiellen Zusammensetzung zwischen den erkrankten und gesunden Zwillingen gibt. Diese aufwändigen Untersuchungen, die unter anderem mit Kooperationspartnern in China und in den USA (UCSF, San Francisco) durchgeführt werden, ergaben subtile Unterschiede, wobei weitergehende Untersuchungen noch ausstehen. Das bisher wichtigste, überraschende Ergebnis dieser Untersuchungen war, dass die Darmbakterien von an MS erkrankten Zwillingen in einem Tiermodell eine MS-ähnliche Erkrankung auslösen können. Dies ist zwar grundsätzlich auch mit Bakterien von gesunden Zwillingen möglich, jedoch in einem geringeren Ausmaß. Das interessante an diesen genetisch veränderten Mäusen ist, dass sie unter sterilen Bedingungen im Labor völlig gesund bleiben, aber nicht, wenn sie normalen Umweltkeimen ausgesetzt werden. Diese Ergebnisse sind aktuell in einer internationalen Fachzeitschrift veröffentlicht worden (Berer et al., PNAS 2018). (Wenn Sie diese Publikation lesen möchten, lassen Sie es uns bitte wissen, damit wir sie ihnen per Mail zuschicken können. Mail-Adresse für Anfragen: margit.josel@med.uni-muenchen.de).
Im Laufe der Zeit konnten auch die gesunden Zwillinge genau untersucht werden. Zum Beispiel liegen inzwischen von allen 50 gesunden Zwillingen detaillierte kernspintomographische Untersuchungen des Gehirns vor. Diese Untersuchungen waren mit einem beträchtlichen Aufwand verbunden, da die Zwillinge für die Kernspinuntersuchungen aus der Ferne anreisen und in München übernachten mussten. Die kostenintensiven Kernspinuntersuchungen wurden im Rahmen einer wissenschaftlichen Kooperation mit dem Institut für Klinische Radiologie (Frau Prof. Birgit Ertl-Wagner) ermöglicht. Die Reise- und Übernachtungskosten für die Zwillinge im Rahmen der Studie wurden freundlicherweise vom DMSG Landesverband Bayern aus speziellen Mitteln, die für Forschung bestimmt sind, großzügig unterstützt. Bei diesen MRT Untersuchungen stellte sich nun heraus, dass etwa 20% der scheinbar gesunden Zwillinge MS-verdächtige Läsionen in der Kernspintomographie aufweisen. Diese Läsionen verursachen jedoch bisher keine Symptome, so dass der Zwilling weiterhin als gesund zu betrachten ist. Bei einigen Zwillingen konnten wir auch eine Liquoruntersuchung durchführen, wobei sich in einigen Fällen entzündliche Veränderungen zeigten, die als Hinweise für eine erste Vorstufe der MS zu betrachten sind.
Fazit: die weitergehende Untersuchung unserer Zwillingskohorte ermöglicht neue Einblicke in die Frühphase der MS, in der bereits Veränderungen im Kernspintomogramm oder in der Nervenwasserflüssigkeit nachweisbar sind, bevor die ersten Symptome der MS auftreten. Dieses eröffnet eine weitere Forschungsrichtung, der wir in Zukunft intensiv nachgehen möchten, denn die Auslösemechanismen der MS sind eine der wichtigsten ungeklärten Fragen der MS-Forschung.
Inzwischen haben sich 20 weitere Zwillingspaare gemeldet, die in Kürze am Institut untersucht werden. Hierbei kommen u.a. neu entwickelte Methoden der Immunologie und Molekularbiologie zum Einsatz, um im Liquor (Nervenwasser) die allerersten, mit der Entstehung der MS einhergehenden Veränderungen zu charakterisieren. Auch die Untersuchungen zur Rolle der Darmflora werden mit dieser erweiterten Zwillingskohorte fortgesetzt.
Über Ergebnisse dieser Untersuchungen hoffen wir Ihnen im nächsten News-Letter unsers Vereins berichten zu können.
Diese Zwillingsstudie wird u.a. von der Deutschen Forschungsgemeinschaft und der Hertie-Stiftung finanziert. Auch konnten wir für dieses Jahr eine Zuwendung der Dr. Leopold und Carmen Ellinger-Stiftung für ein spezielles Teilprojekt gewinnen.
Für weitergehende Untersuchungen, besonders solche in Kooperation mit anderen Instituten und Kliniken, die für die Ergebnisse entscheidend sind, müssen weitere Drittmittel eingeworben werden. Ohne die geht es leider nicht. Hier unterstützend zu fördern sieht der Verein “Therapieforschung für MS-Kranke“ als eine seiner Aufgaben, um einen Beitrag zur Bekämpfung der Krankheit zu leisten.
Sollten Sie die Möglichkeit sehen, uns hierbei auch weiterhin zu unterstützen, würden wir uns über jede Spende sehr freuen.